Ruderalvegetation Ökologie & Ethnoökologie, Ästhetik und „Schutz“
Gerhard Hard
(1998) DIN A5 / 396 Seiten. (522g) (12,25 Euro)
Der Gegenstand ist die triviale Vegetation der Stadt, das, was wild, von selbst wächst (K.H. Hülbusch, 1978). Im Kontext städtischer Grünpflege und Straßenreinigung bedeutet das in der Regel Unkraut, selbst wenn sein Zustandekommen als Ausdruck der Unpflegbarkeit und Unbrauchbarkeit der Produkte erst durch die Entwürfe der Stadtplaner und Gartenarchitekten in die Welt gesetzt ist (vgl. auch Notizbuch 17 und 34). Als Geograph und vegetationskundlicher ‚Etnologe‘ macht sich Gerhard Hard in heimischen Gefilden auf, frei nach dem Schmitthüsen’ schen Motto den ‚geistigen Plan‘, die kulturlandschaftliche Seite der städtischen Vegetation zu entdecken. Im Zentrum der Arbeit steht eine alte Liebe des Autors, die Mäusegersteflur, das Hordeetum murini. Diese prototypische Vegetation der städtischen Ränder, Restflächen, Gärtnerbeete,.. usw., die vertraut und bekannt ist, weil sie einem auf Schritt und Tritt begegnet, ist der Ausgangspunkt der Hard’schen Erzählungen und Recherchen. Dazu gehört im Kontext städtischer Freiräume die administrative Pflegegeschichte, ihr Modenrepertoire und das immer wiederkehrende Herumschustern als Versuch der Stabilisierung des Unhaltbaren. Als neueste Variante grünplanerischen Unverständnisses führt Hard das naturschützerisch ambitionierte Possenstück der ‚Unkrautpflege‘ – mit Hacke und Herbizid – im Freilichtmuseum vor, bei dem der Kampf dem bösen Unkraut zum Schutz des guten Unkrauts ebenso erbarmungslos wie erfolglos gefochten wird. Professionell betrachtet ist G. Hard in gewissem Sinn ein Wanderer zwischen den Welten, der immerhin den Blick auf die freiraumplanerisch-vegetationskundige Debatte von K.H. Hülbusch und der ‚Kasseler Schule‘, aus deren Fundus ein Gutteil der Überlegungen gespeist ist, nicht ganz unterschlägt, wie das ansonsten (siehe Sukopp et al. 1998) innerprofessionell der Fall ist. Ganz nach dem, was M. Balint 1964 mal für seine Arbeit und deren innerprofessionelle Rezeption formuliert hat: „Man kennt uns, man liest uns, aber man zitiert uns nicht.“ Gemessen an der pflanzenbürokratischen Sprachlosigkeit, welche die literarische Landschaft des Themas gemeinhin ziert (siehe etwa „das einzige deutschsprachige Fachbuch zum Thema Stadtökologie von Sukopp, H. und Wittig, R. (Hrsg.) von 1998), hält Hard’s Werk über weite Strecken eine witzige und geistreiche Debatte vor, die mit fast 400 Seiten allerdings um feuilletonistische Längen nicht umhinkommt.
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