Reisen. um Fragen zu finden
Bernd Sauerwein (Red.)
(2008) DIN A5, 200 Seiten, 9 Tabellenbeilagen (13,25 Euro)
Gelegentlich muss explizit daran erinnert werden, dass die Reise nicht der Zerstreuung sondern, wie Appel (1992) empfiehlt, der Erinnerung dient. Manche Reisen sind einem konkreten Anlass, einem Besuch oder einer Besorgung, z. B. des berühmten ‚Kilochen Nägels‘, gewidmet. Andere Reisen dienen dem Vergleich und der Versicherung des Bekannten und sind der Kontemplation sowie der Schulung der Aufmerksamkeit verpflichtet. Solche Reisen sind mit einer Einkehr am fremden Ort zu vergleichen und werden erzählend mitgeteilt.
„Erzählerinnen sind Erfahrene, Kundige. Zwischen dem/der Erzählerin und seinem/ihrem Stoff besteht eine handwerkliche Beziehung. Ein/e Erzählerin bearbeitet den ‚Rohstoff der Erfahrung‘ (…) auf eine solide und nützliche Art und Weise, so daß die Geschichte immer auch einen Rat enthält“ (Gehlken 2000: 260).
Was man so unmittelbar und direkt sieht, ist wirklich, ohne gleichzeitig auch wahr zu sein. Wir lesen gemäß unseren Kenntnissen und Erfahrungen in die äußere Wirklichkeit eine Wahrheit hinein; wir werten und deuten, was wir sehen, weil wir die Dinge auch i.S. von Zeichen betrachten. Doch, wer nicht auf den Vordergrund hereinfallen will, muss gelernt haben, die Geschichte in den Dingen zu entschlüsseln, also sie zu lesen wie einen Text. Arglos trauen wir jedem, der eine Geschichte erzählt, zu, daß er zu lesen vermöchte. Und so geschieht es oft, dass wir den Scharlatanen oder die Suggestion der wahren Verheißung nicht vom Geschichtenerzähler zu unterscheiden wissen. So hat z.B. die ‚Katastrophenphantasie‘ aller möglichen Zukunftsprophezeiungen Konjunktur, weil sie im Gewand des Reichtums an Wissen und Erfahrung verkleidet auftritt:
„Das, welches am schönsten zu sein scheint und die größten Blutbäder anrichtet, heißt ‚Das Glück der künftigen Generationen‘. Seit einem halben Jahrhundert hat das sogenannte Glück der zukünftigen Generationen das Unglück aller gegenwärtigen Generationen bewirkt‘ (Giono 1989(63): 59) (aus dem Vorwort von K.H. Hülbusch).
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