Nach einer Pause in diesem Jahr planen wir für 2021 wieder eine vegetationskundliche Reise.
Schon wieder Säume !?
Mit den Saumgesellschaften wollen wir uns dabei einem Phänomen zuwenden, das in der pflanzensoziologischen Literatur bestens beschrieben ist und dem besonders in der AG Freiraum über einen langen Zeitraum breite Aufmerksamkeit zuteil wurde. Dieses auch deshalb, weil Saumgesellschaften landeskundlich und auch freiraumplanerisch besonders interessante Phänomene sind (s. jüngst AG-Symposium 2015 ‚Grenzen, Säume, Übergänge‘).
Warum also schon wieder Säume? Was gibt es da noch zu lernen bzw. zu entdecken?
Die innerprofessionelle Debatte um die ‚Säume‘ ist dank der seit Jahrzehnten mainstreamigen technokratischen Betrachtung der ‚Landschaft‘ durch Ökologie, Naturschutz und Landespflege, völlig aus den Fugen geraten (versaumt?). Alle möglichen Phänomene, von Wegrändern bis Hecken werden unter dem Schlagwort ‚Saumstruktur‘ zusammengefasst. Inzwischen ist der Saumbegriff in diesen Disziplinen (und darüber hinaus) derart nebulös (s. Gehlken 2018), dass eine sinnvolle Verständigung kaum noch möglich – und wohl auch nicht gewollt – ist. Dabei lässt die ursprüngliche Definition des Saumes durch Tüxen (1952) kaum Spielraum für Interpretationen: Der Saum ist der Rand des (Wald)Mantels! Nix anderes. Aber so idealtypisch wie auf dem nebenstehenden Bild begegnen uns die Säume eher selten. Tüxen erwähnt bereits 1952, dass Säume an Gehölzrändern oft nur angedeutet vorkommen oder aber gar nicht vorhanden sind. Außerdem ist oft die Abgrenzung schwierig.
„Es ist auch nicht ganz leicht, von diesen schmalen, oft zwischen den Gebüschen der Mantel-Gesellschaft und Wasser, Wiesen, Weiden, Weg oder Acker wachsenden Beständen saubere und vollständige Aufnahmen zu gewinnen, zumal Fragmnete und weiche Übergänge nicht selten sind“ (Tüxen 1967: 432).
Zudem sind die Säume nicht immer leicht zu erkennen, weil sie nur in Ausnahmefällen in üppiger Pracht vor dem Gehölzmantel wuchern, sondern viel häufiger „unter den Sträuchern und in ihnen schlingend am Fuße des Waldes und seiner Mantelgesellschaft“ (ebd.: 112) wachsen und damit recht unscheinbar sind. Nicht zuletzt deswegen wurden sie als eigenständiges Phänomen erst so spät entdeckt (s. Sauerwein 2007).
Trotz einer eindeutigen Darstellung des Saumstandortes bei Tüxen (1952) und in ähnlicher Weise auch bei Dierschke (1974) wird in der neueren Literatur meist von mehrere Meter breiten ‚Säumen‘ berichtet bzw. geträumt. Diese sind aber schlichte Wunschbilder, fiktive Ergebnisse gezielter Manipulationen oder beruhen auf der Verwechslung schlichter Brachen (bestenfalls noch Versaumungen) mit ‚echten‘ Säumen.
Mit solcherlei Unkenntnis und begrifflicher Zerrüttung gesegnet wundert es nicht, dass in modernerer Saumliteratur fast nur noch unverständiger Unfug verbreitet wird. Doch das soll uns nicht weiter kümmern. Vielmehr wollen wir uns auf eine noch etwas genauere Betrachtung des Phänomens Saumgesellschaft konzentrieren.
Tüxen wies 1952 explizit auf die noch dünne Kenntnis der Säume und deren Verständnis hin:
„Die Kontakt-Erscheinungen dieser Gesellschaften sind noch lange nicht genügend untersucht und versprechen noch manche neue Erkenntnis. Bis jetzt lässt sich nur sagen, dass keine schematischen Bindungen von Mantel-, Saum- oder Schleier-Gesellschaften erwartet werden dürfen. (…) Diese anziehenden Fragen, die das Wirkungsgefüge benachbarter Pflanzengesellschaften deutlich machen, würden eine umfassende sorgfältige Untersuchung verdienen, wenn sie auch nicht ganz leicht durchzuführen wäre“ (ebd.: 112f).
Diese Anregungen Tüxens haben in den Folgejahren zu vielfältigen Beschreibungen von Säumen und der ‚Entdeckung‘ neuer Gesellschaften geführt. Als einige ‚Meilensteine‘ seien hier nur die Arbeiten von Müller (1962), Tüxen (1967), Sissingh (1973) und Dierschke (1974) genannt, die neben ausführlichen floristisch-soziologischen Darstellungen auch einzelne landeskundige Beobachtungen (z.B. zu angrenzenden Nutzungen, Standortökologie oder Dynamik) enthalten. In der Folgezeit richtete sich der Fokus immer stärker auf floristisch ambitionierte Betrachtungen, rein systematische Fragen oder eine primär ökologische Anschauung (diese ist bei Dierschke 1974 bereits angelegt). Saumgesellschaften wurden vielfach floristisch-soziologisch abgebildet und beschrieben und es wurde eingehend die synsytematische Stellung der Säume diskutiert und verfeinert. Damit besteht inzwischen ein guter Fundus an Aufnahmen und Beschreibungen, die dank einer geordneten Systematik auch merkbar abgelegt und auffindbar sind. Auf dieser Basis guter Gegenstandkenntnis wäre es eigentlich an der Zeit, die von Tüxen ursprünglich formulierte Frage des ‚Wirkungsgefüges benachbarter Pflanzengesellschaften‘ erneut aufzugreifen. Doch das ist bislang kaum oder nur in Ansätzen geschehen, weil die Pflanzensoziologie, wie Hülbusch (1994: III) treffend formuliert, ‚zur Ökologie getürmt ist‘ und sich vornehmlich aufs Messen und Zählen statt aufs Verstehen verlegt hat.
Was zum Verständnis der Säume fehlt, sind also nicht die floristisch-soziologischen Beschreibungen der Gesellschaften an Wald- oder Gehölzrändern, sondern die Kenntnis bzw. Mitteilung genauerer Beobachtungen und Beschreibungen zu den Wuchsbedingungen – und zwar nicht nur den ökologischen! – der Säume an diesen Rändern. Warum treten ‚gute‘ Säume manchmal auf, während sie andernorts fehlen? Wo genau sind sie am Gehölzrand eigentlich verortet? Tatsächlich vor dem Gehölztrauf, wie manche Darstellung vermuten lässt oder nicht doch eher darunter? Wie werden die Säume konkret von den angrenzenden Nutzungen (beider Seiten!) geprägt? Sind sie tatsächlich stabil und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Im Rahmen der AG-Seminare und -Texte wurden zu diesen Fragen schon einige Beobachtungen, Überlegungen und Thesen formuliert. Es könnte doch vergnüglich und lehrreich sein, daran anknüpfend die Beobachtungen zu präzisieren, um einige dieser Thesen explizit zu prüfen, zu konkretisieren oder auch zu verwerfen.
Ziel der Reise
Für ein solches Projekt braucht man eine Gegend, die über viele dieser Ränder verfügt. Bei unseren Überlegungen sind wir auf die Fränkische Schweiz (nördliche Frankenalb) gestoßen. Hier beschert uns die geologische Basis des Unteren Jura (Malm) eine Landschaft, in der recht gleichmäßig viele Erhebungen und Felsen (dolomitische Schwammkalke) vorkommen. Diese kleinen flachgründigen Kuppen sind stets bewaldet, während die Senken und Ebenen mit fruchtbaren Riffschutten gefüllt sind, auf denen Ackerbau, Grünlandwirtschaft und Obstbau (Schnaps!) betrieben wird. Ränder zwischen Forsten und Acker bzw. Grünland sind daher üppig vorhanden. Meist grenzen die Wäldchen direkt an die landwirtschaftlichen Flächen, so dass ‚typische‘ bzw. einfach zonierte Randsituationen, ohne die sonst häufigen Wege am Waldrand, die Regel sind.
Das basenreiche Ausgangssubstrat sorgt nebenbei dafür, dass auch das floristische Interesse bedient wird (z.B. Trifolio-Geranietea-Säume) und die kleinräumig wechselnden Expositionen garantieren zusätzliche Abwechslung.
Zudem verfügt die Gegend über viele kleine Ortschaften, die durch ein enges Wegenetz verbunden sind. Wir können uns hier also leicht mit dem Auto und zu Fuß fortbewegen und ungehindert ausschwärmen.
Für das leibliche Wohl ist in Franken mit einer ungewöhnlichen Dichte von Gasthäusern, Brauereien und Brennereien ebenfalls gesorgt.
Wir haben bereits ein Quartier in Kappel (ca. 30 km nordöstlich von Nürnberg, nahe Hiltpoltstein, wo es auch eine Laden gibt) anvisiert bzw. vorbestellt. Dort wäre Platz für 24 Leute und es gibt mehrere Gruppenräume. Bei mindestens acht Teilnehmer*innen kalkulieren wir mit Übernachtunskosten von ca. 150 Eus. Wir bitten um Interessenbekundung. Die Interessierten werden über die weitere Entwicklung informiert und sofern die Planung des Seminares absehbar ist, gebeten den Teilnahmebetrag zu überweisen.