Bremer Reihen
Christoph Theiling (Red.)
(1997) DIN A5 / 210 Seiten. (322g) (9,00 Euro)
Die Reihenhausstadt Bremen, in der bis etwa 1910 die mittelalterliche Haushufenerweiterung der Siedlung beibehalten wurde, ist ein ideales Beispiel zum Nachweis systematischer Reihen. Eine davon – über die Verweichlichung und die Erniedrigung des Vorgartenzauns – steht immer noch aus. Dafür sind zwei andere im Notizbuch abgedruckt: Vom Reihenhaus zur Zeile (Theiling, Christoph) und Plätze in Bremen (Bäuerle, Heidbert u. Theiling, Christoph).
Vom Handwerkerhaus über das Architektenhaus bis zum Entwerfergebäude der Zeile ist eine Reihe der klammheimlichen Verwandlung zu zeichnen, die in Typen und deren Variationen festgehalten werden kann. Spannend ist dabei, daß peu á peu die praktischen Regeln nach Gutdünken verändert, dann vergessen und zuletzt von beliebigen und geschmäcklerischen Erwägungen der Einfalt oder Vielfalt abgelöst werden. So geht denn notwendig auch die Erfahrung der Regeln und die Erinnerung daran verloren, so daß der Bauhauspropaganda – immer wieder bei 0 zu beginnen – Anerkennung und Reputation verschafft wird. Die Reihe der Verwandlungen, die in Bremen mit vielen Beispielen statistich nachgewiesen ist, macht deutlich, daß deren Kenntnis Vorausetzung für das Verständnis der Folgen einerseits und, andererseits, für die Reflexion der Beispiele im Sinne von Vorbildern ist.
‘Plätze’ die seit Camillo Sitte den EntwerferInnen beliebtes Sujet für eine Theaterdekoration sind, folgen der Reihe – der Platzreihe – vom Reihenhaus zur Zeile. Denn immer, wenn ein Platz eine Brosche darstellen soll und keinen Platz bietet, treten die Gestalter auf die Bühne. Die Haushufe wird von Plätzen begleitet. Jede Straßeneinmündung besteht aus Platz, der durch Gebrauch bekannt und verstanden ist. Die allgegenwärtigen Plätze, die den unaufmerksamen Beobachtern zu recht nicht auffallen, werden beim Wandel von der Haushufen-Reihenhausstadt aufgehoben und bombastisch zentralisiert und aus der Reihe genommen. Die Hierarchie der Plätze den Wegen entlang, der Reihe nach, wird ersetzt durch Zentralisierung: nur Bahn, nur Läden, nur ‘Platz’, nur ‘Grünfläche’. So ist die Reihe vom Haus zur Zeile in der Reihe vom Platz zur Fläche schon vorgezeichnet. Dem Auftraggeber war diese ‘Reihe der Plätze’ nicht sonderlich sympatisch. Das ist klar, wenn wir bedenken, daß der Auftraggeber sie für die demonstrativen Flächen – zumindest unausgesprochen – erwartete. Daß der Platz mehr mit dem informellen und alltagspraktischen Gebrauch sinnvoll erst gelebt werden kann und dann gelegentlich auch dem demonstrativen Aufwand dienstbar ist, wird wohl als Kritik am zentralistischen Städtebau verstanden. So passen die beiden Arbeiten – eine kluge Erweiterung und Unterstützung der einen Reihe durch die andere – gut zueinander.
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