Alle reden vom Land … und andere Texte zur Landschaftsplanung
K. H. Hülbusch
(1999) DIN A5 / 232 Seiten. (342g) (11,50 Euro)
Wer als Städter aufs Land geht, schult seinen Blick am besten darin, in den Landschaften durch die er fährt oder wandert, die Spuren der Arbeit zu sehen, denen die Landschaft ihr Aussehen verdankt. Wenn R. Tüxen 1974 das Ziel der Vegetationskunde darin sieht, das Verstehen der Vegetation aus der Anschauung heraus zu ermöglichen dann ist die „pflanzensoziologische Spurensicherung“ von K.H. Hülbusch von 1986 eine nachvollziehbare Wegbeschreibung dahin. Die Handschrift, die hier trägt, versammelt an allen Gegenständen die Neugier (E. Jaeggi, 1986), das Wissen und die Routine des Vegetationskundlers, solide in der Arbeit und sparsam im Material. Das Heft ist also auch eine Sammlung zum Handwerk des Vegetationskundlers, an dessem Ende als Ertrag Verstehen, also ein Reichtum an Einsichten steht. Die Arbeiten sind damit durchaus nicht zeitgeistgemäß, zumindest nicht derart, daß sie die modernistische computergstützte Datensammelei hofieren, die am Ende mit einer pauperisierten Gedankenleere aufwartet. Das fällt auch in der Sprache der Texte auf, die anders als die Gedankenhetzerei innerhalb der gängigen Forschungslandschaft, die vom permanenten Konkurs, vom Abfrühstücken und dem permanenten Stellungswechsel lebt, man braucht dazu nur die schnellebige Modernisierung der Sprüche von ökologisch, regional, nachhaltig, frauenspezifisch, …usw. herzunehmen, erfrischend altertümlich nachgedacht sind und sogar gelesen werden können. Zum Beruf des Vegetationskundlers gehört neben der Sorgfalt der Beobachtung und Beschreibung, der Erinnerung auch ein „Gespür“ (Høeg, P. 1990) für die Gegenstände und die Richtung in der sie einsichtsreich gewendet werden können. So reichen die Wurzeln jüngerer Arbeiten zum Grasland und zum Grünland weit zurück bis zum abgedruckten Text von 1969 zum Poo-Rumicetum obtusifolii Hülb.69. Das heute flächenhafte Phänomen der landwirtschaftlichen Grasland-Ackerei tauchte 1969 erst als Randphänomen längs von Flüssen oder hochgedüngten Wirtschaftsflächen auf. Der rote Faden späterer Fragestellungen und Einsichten wird in dieser frühen Arbeit bereits angelegt. Die bürokratische Fraktion innerhalb der Pflanzensoziologie hat das Phänomen damals wie heute ebenso übersehen und verdrängt (vgl. Prodomus der Grünlandgesellschaften von Dierschke 1998), wie ihren eigenen Anteil an der Modernisierung des Primärproduktion auf dem Land. Das Schicksal der Kassandra ist die Weitsicht, geboren aus der Kenntnis der Geschichte, wohingegen die Ungläubigkeit der Modernisierer und Gegenmodernisierer (P. L. Berger, B. Berger, H. Kellner) Ergebnis der Unkenntnis der Geschichte der gegenwärtigen Erscheinungen ist. Nur wenn die Folgen der bisherigen Etappen der Modernisierung professionell verdrängt werden, können die Verheißungen einer besseren Zukunft auch weiterhin verkündet werden (Berger, J.). Das ist innerhalb der Wissenschaft nicht anders, als in den politischen Landschaften, die regelmäßig übersät ist mit Gedächnislücken quasi kognitiven ‚schwarzen Löchern‘ angesichts der Überprüfung schwarzer Konten. Planerische Prognosen auf der Basis der Prüfung von Folgen und Konsequenzen sind in den Augen von Modernisierern immer ‚subversiv‘ (P. L. Berger & H. Kellner 1984), weil ihnen weniger am Geschäft bzw. der Legitimation offizieller Deklarationen gelegen ist, denn am Verstehen. Der Blick, den die hier versammelten Arbeiten eröffnen, ist immer von der Neugier des Städters geprägt, der auf dem Land nach Bekanntem und Verstehbarem sucht, also immer auf der Basis des mitgebrachten Wissens und der Kenntnisse den Blick für die Arbeit und ihre Produkte schult. Professionell eine unumgängliche Voraussetzung der Sympathie für Land und Leute. Denn nur wer den Alltag und die Arbeit ernst nimmt und versteht, kann Rat geben ohne zu verraten (S. Groeneveld) und den eiligen Verheißungen des Fortschritts auf dem Lande (K. H. Hülbusch & D. Lecke 1975) widersprechen.
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