Notizbuch 57

Die Kunst des Gärtnerns. Der Gartenbau in vier Abteilungen oder die Hausgemüsewirtschaft
F. Bellin, K. H. Hülbusch & al. (Red.)
(2001) DIN A5 / 220 Seiten. (330g) (11,50 Euro)

In der Ratgeberliteratur für den ‚Hausgarten’ wird angestrengte ‚Schönheit’ oder exklusive Ernte offeriert. In ‚Kraut und Rüben’, einer Werbezeitung für den Handel mit exklusiven Schaustücken wird unter dem Segel der Ökologie’ schöner Wohnen bunter gemacht. Und alle diese Schönheiten sind natürlich sinn-, nutz- und arbeitslos. Die Hausgemüsewirtschaft ist dagegen sinnig, nützlich und mit vergnüglicher Arbeit ausgestattet. Die Schönheit eines gut gediehenen Gemüsegartens ist ökonomische Natur und offeriert gleichzeitig die Kenntnis und Fertigkeit der GärtnerIn auf dem Feld und in der Küche. Mit 40 ForscherInnen haben wir uns zehn Tage lange auf eine Expedition durch die Gärten Großstelzendorfs, einer klassizistischen Siedlung in niederösterreichischen Weinviertel, begeben. Traufständig gereihte Wirtschaftshufen sind hier die Regel, so dass Unterschiede der Wirtschaft auf der Wirtschaftshufe nicht in Unterschieden des Bauens und der Verfügung begründet sein können, sondern wahlweise erfolgt. In der Wahl selber können wir nach den Gründen fragen, nicht nach den Absichten, sondern nach den Vorwänden. Mit den klassischen Mitteln der Abbildung nach den Merkmalen – hier natürlich die angebaute Vegetation – haben völlig unprätentiös eine Typisierung der ‚Gärten’ (i.w.S.) nachweisen können, die vom Kohlgarten bis zur Grünfläche reicht. Hier, können wir konstatieren, dass ganz im Gegensatz zur Reihe vom Haus über das Gebäude bis zur Geschosswohnung, die ja qua Vorfertigung ideologisch und ökonomisch verordnet wird, für alle Beteiligten die gleiche Wahl oder Wahllosigkeit besteht, die Ungleichheit also selbst erwählt ist. Wenn wir vergessen, dass Unkenntnis mit Propaganda hergestellt wird und über 200 Jahre Grünraumgestaltung nicht spurlos bleiben. Jetzt kann man feststellen, dass die dumme Arbeit erst seit 20/30 Jahren ins Haus eingezogen ist. Die Gartentypen in Großstelzendorf könnten wir deshalb auch nach Generationen sortieren: die praktischen und kenntnisreichen Alten und die fleißigen, aber völlig unfähiger Jungen. Indem wäre noch eine Soziologie nach der vergnüglichen Sparsamkeit und der unvergnüglich anstrengenden Vergeudung, die nicht altersgebunden ist, darin enthalten. Da die Befragungsempirie so verlogen ist, haben wir einfach die 65 Gartenaufnahmen nach Merkmalen geordnet und sind dabei – am zufällig gewählten Ort – auf 6 Typen vom Kohlgarten bis zum ‚Bongert’ (Baumgarten) gekommen, die überall so zu finden und sogar zu völlig verschiedenen Bautypen abhängig von der Kenntnis und Entscheidung der Einwohner anzutreffen sind. Wieviel Wissen in einem Hausgemüsegarten und Können vonnöten ist und wie viel Verzeugung zur Haltung eines ‚Mühseligen Gartens’ – einer gepflegten Brache – gehört, ist nach den Tabellen der Gartenausstattung nachvollziehen. Für die LeserIn ist der Leseweg durchaus anstrengend, weil neben den ‚Garten’-Typen die materiellen Mittel der Kulturen von der Hackfrucht bis zu den Gehölzen vom Gemüse – über die Gewürz– und Heilkräuter, vom Frischgebrauch, der Konservierung, den Körnerernten und den Lagergemüsen verhandelt wird– also, alles was für die Hausgemüsegärtnerei zu bedenken ist.

„Ja, Zuckererbsen für Jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen“ (Heine, H. 1884)

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