Reise oder Tour?
Appel, A., R. Mehli & W. Scheidel
(1992) DIN A 5, 156 S. (212g) (7,25 Euro)
Die Reise begleitet den Fremden, der sich und seine Lerngeschichte, seine Kenntnisse und Erfahrungen mitnimmt. Der Tourist kann auch in der Fremde nicht zu Hause sein, weil er auch zu Hause kein Reisender, Erfahrender ist. Was das eine LandschaftsplanerIn angeht? Nun – wenn wir uns den Klischees, dem Gartenkunstnippes und dem Landschaftskitsch, den Leitbildern der Landespflege zuwenden, dann finden wir darin die Versatzstücke, mit denen Trivialromane und Touristikbranche die verehrte Kundschaft einpudern. Es ist bemerkenswert, mit welcher Ignoranz Leute, die die Alltagswelt anderer Leute über die materielle Ausstattung ihrer Lebensorte beeinflussen, einerseits die materielle Ausstattung und ihre realen Wirkungen an zufälligen ‚Experimenten‘ übersehen und gleichzeitig keinen blassen Schimmer vom Einfluß ihrer persönlichen Vorurteile, Gesellschaftsbilder und Wunschträume (incl. der Erfolgsvorstellungen) auf ihre berufliche Tätigkeit haben.
Andrea Appel (Reisen, ohne das Weite zu suchen) beschreibt die Voraussetzungen des Reisens, Umwege, Unwege, Fallgruben, die einen dann zur Tour verleiten. Bei der Tour gibt es, wenn überhaupt, nur die Überraschung, daß das Programm funktioniert: das berühmte A-ha. Dazwischen ‚tote Wartezeit‘. Kundigkeit wird vom Handel mit sogen. Erlebnissen und Devotionalien abgelöst.
Werner Scheidel zeigt uns an einem Dorf auf Tenerife, daß er, weil er den Pfarrer kannte, oft besucht, wie der Reisende durch aufmerksame Beobachtung ein Kundiger wird, der die Analogien zu seinen mitgebrachten Kenntnissen er-fährt. Genau das ist ‚Landschaftsplanung‘, die ernst und liebevoll genau versteht, ohne den Status des Fremden durch verlogene Nähe zu vertuschen.
Im Kontrastprogramm von Reto Mehli, der sich dem landespflegerischen Illusionismus widmet – eine Arbeit, die eine hohe Frustrationstoleranz erfordert -, werden wir mit allen verständnislos repetierten Klischees über ‚Schönheit‘, ‚Originalität‘, ‚Gleichgewicht‘, ‚Natur‘, ‚Harmonie‘, ‚Demokratie‘, ‚Zeitgeist‘, ‚Kunst‘ etc. konfrontiert. Der Autor hat für uns die mühevolle Arbeit übernommen, mal die geschwätzige Verlogenheit berufspolitischer Verlautbarungen zu prüfen, für die sich die DGGL zu ihrem ‚Festakt‘ (100 Jahre) 1987 von Herrn Prof. Dr. M. Rock folgendes Lob spenden ließ: „Diejenigen, die sich beruflich der Gartenkunst und Landschaftspflege widmen, erbringen originale ökologische Kreationen und sind die wahren ökologischen Animateure.“ Auch schlecht gebrüllt.
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