Notizbuch 36

Alles Quecke …
H. Böse-Vetter u. K.H. Hülbusch (Red.)
(1995) DIN A5 / 292 S. (416g) (10,75 Euro)

Die ‚Militarisierung des Landbaus‘ wollten wir dieses Notizbuch zunächst nennen, weil sowohl die Chemisierung, die Mechanisierung und die genetische Manipulation aus den Retorten der Kriegs- und Militärforschung stammen und die Einführung in den Landbau entweder den Kuppelprodukten (Abfall wie z.B. Thomasphosphat) oder der Überproduktion bzw. in Nicht-Kriegszeiten der Auslastung der Produktionsanlagen (z.B. Stickstoff, Herbizide, Schlepper) anzurechnen sind. Die vielgepriesene ‚Konversion‘ verlagert nur den Kriegsschauplatz und spielt dort Schafspelz.
Mit Arbeiten von Bernhard Ledermann über ‚Etappen und Folgen der Grünlandintensivierung‘ sowie ‚Brachephasen in der Wirtschaftsgeschichte‘ und Bernd Gehlken ‚Von der Bauerei zur Landwirtschaft‘ wurden verschiedene Erscheinungsformen der vollständigen Nivellierung des Trophieniveaus und der Durchsetzung der Gras-Acker-Brache (s. Lührs, H. 1994) nachgewiesen. Die ‚Programmbrachen‘ sind dafür ein überzeugender Beweis, dem die Seilschaft aus Agrarpolitikern, Agraradministration und Naturschützern gerne einen grünen Kittel umhängen möchte.
Bernhard Ledermann führt nach der Recherche zur Thomasphosphat- und Stickstoff-Werbung am Beispiel des Grünlands und der Viehhaltung in der Gemeinde Oberstreu (Bayrische Rhön) die ‚Etappen und Folgen‘ der Intensivierung der Bodenproduktion sowohl am Bestanswandel der Vegetationsbestände wie am Wandel der Viehbestände auf:
„Wo man nun aber lauter greisete Kühe haben will, da ändert sich das ganze Verhältnis, das Bleibende muß einem beständigen Wechsel weichen, denn der Kühe Natur, Liebe und Fruchtbarkeit lassen sich so wenig nach den Käsereien regeln als das Gras“ (Gotthelf, J. 1850 /1978 – Die Käserei in der Vehfreude: 72)
Daß die Äcker latente Gras-Acker-Brachen sind, kommt heraus, wenn die ProgrammBrache zuschlägt. Ingrid Bauer weist mit vielen Aufnahmen von ProgrammBrachen die Zugehörigkeit der Brachvegetation der üblichen trophierten Äcker zur Initialphase des Queckengraslandes nach. Die Prophezeiungen der Naturschützer, die von den Brachen eine artenreiche und bunte Vegetation erwarteten, ist wieder einmal nicht bestätigt worden. Im Beitrag über die ‚Brache in der Wirtschaftsgeschichte‘ stellt die Autorin klar, daß die ‚Flächenstillegung‘ absichtsvoll mit dem Begriff ‚Brache‘ hausiert, um der administrativ finanzierten Entwertung der Ernte den Heiligenschein einer arbeitsökonomischen Überlegung zu verleihen. Die Brache, genauer betrachtet, ist ein Phänomen das von der Bodenvorratswirtschaft in der Bauerei mit wandernder Arbeitsinvestition bis zur Programmbrache in der Landwirtschaft mit flächenhaft gleicher Wirtschaftsintensität nur über den Kontext verstanden werden kann.
Im Beitrag von Bernd Gehlken über den Vegetations- und Wirtschaftswandel im Stedinger Land wird an einem Ort, für den Vegetationsaufnahmen aus dem Jahre 1937 vorliegen, über die Verqueckung hinaus der vorausgesetzte bzw. angenommene Wandel von der ‚Bauerei zur Landwirtschaft‘ nachgewiesen. Wie schon an anderen Orten beobachtet (Collage Nord / Landschaftsplan Stade) fällt auch in Stedingen auf, daß die ‚Landwirtschaft‘ die bevorzugten Standorte von den naturbürtig weichen zu den leicht manipulierbaren Flächen wechselt: Hier also von der hohen Marsch, über die Niedere Marsch zum Niedermoor.

zurück zur Übersicht

Notizbuch 32

Die Vegetation als Indiz der Wirtschaftsgeschichte – oder Von Omas Wiese zum Quecken-Grasland – und zurück?
H. Lührs
(1994) DIN A 5 / 210 S. + Tabellenbändchen. (396g) (9,00 Euro)

1985, im 1. Notizbuch der Kasseler Schule, ist das 3. Notizbuch folgendermaßen angekündigt: ‚Von Opas Wiese zum Queckengrünland und zurück – Die Entwicklung des Wirtschaftsgrünlandes und die Möglichkeiten der qualitativen Regeneration‘. Was damals so kurz vor der Fertigstellung und weitgehend geklärt schien, erwies sich bei näherem Hinsehen und in der Durchführung doch anspruchsvoller und langwieriger. Es waren nicht nur noch die eine oder andere Arbeit erforderlich, um das moderne Gras-Acker-Land abzubilden. Wichtiger war es, über das Pänomen hinaus, für den Vorgang und den Kontext das Verständnis und die Begriffe zu formulieren, damit „am Beispiel des Wirtschaftsgrünlandes und der GrasAckerBrachen die Vegetation als Indiz der Wirtschaftsgeschichte“ erzählt werden kann.
In seiner Dissertation stellt H. Lührs zunächst eine stark synthetisierte Übersicht der Naturausstattung der Gras-Futterflächen für Paarhufer-Wiederkäuer vom Nardo-Galion bis zum Agropyro-Rumicion mit einer ausführlichen Erörterung der Verbände und ihrer verbreiteten (wichtigen) Assoziationen in den Vordergrund. Dieser empirische Beweis des Gegenstandes, über den Aussagen gemacht werden sollen – so unerläßlich er ist, weil damit eine chronologische und chorologische ‚Gebietsmonographie‘ vorgestellt wird – dient der Nachzeichnung des Industrialisierungsvorgangs in der Futtererzeugung. Mit jeder Modernisierung wird das Wissen der Bauern zerstört (s. Berger J., Imfeld A., Mandel E., Benholdt-Thomsen V., Gronemeyer M., Groeneveld S. u.a.) und die Abhängigkeit erhöht. Die Klärung der Rolle der ‚Wissenschaften‘ bei der Durchsetzung der Industrialisierung führt zur Darlegung einer Wissenschafts- und Disziplingeschichte der Grünlandforschung, der Pflanzensoziologie und der Landschaftspflege, der die Aufmerksamkeit der Vegetationskunde und der Landschaftsplanung gegenübergestellt wird. Der wissens- und methoden-(wissenschafts)-theoretische Teil der Arbeit, der die Einsichten ermöglicht und begründet, hält eine exzellente Diskussion und Reflexion zur ‚Logik wissenschaftlicher Arbeit‘ in der Landschaftsplanung (i. e. S.) bereit.
Zur Warnung sei hinzugefügt, daß Naturschützer und Biotopisten sich den Erwerb dieser preiswerten Veröffentlichung sparen sollten, weil der Faktenpositivismus nur kritisiert vorkommt – wie denn auch wissenschaftsdesignte Technikmätzchen vollkommen fehlen. Für alle, die etwas übers Grünland – von der Hute bis zu wirtschaftsbedingten Flutrasen – verstehen wollen, sich auch auf literarische Funde, Kenntnisse, ‚politische‘ Einsichten und eine spannende Nachdenk-Literatur einlassen wollen, sei dieses Notizbuch nachdrücklich empfohlen.

zurück zur Übersicht

Notizbuch 13

Grünlandwirtschaft und Naturschutz in der Hessischen Rhön
Stolzenburg H. J.
(1989) DIN A 5, 320 S.; Tabellenband DIN A 4, 75 S. (658g) (10,75 Euro)

Mit vegetationskundlich wohlaufbereitetem Aufnahmematerial (900 Aufnahmen) wird die Geschichte eines ‚Stücks Landschaft‘ in der hess. Rhön auf spannende Weise erzählt. Gegen die Annahme des Naturschutzes, daß die Extensivierung der (landw.) Produktion zur Differenzierung der Naturausstattung führe, produktive Arbeit also zur Stabilisierung einer schützenswert erachteten Naturausstattung keine Rolle spiele, wird sehr anschaulich nachgewiesen, daß nur über das Verständnis der (geschichtlich) investierten Arbeit zum Lebensunterhalt ein adäquates Verständnis der jeweiligen Naturausstattung herzustellen ist. Dem steht die Profession, samt des ihr vor- und nachgeschalteten wiss. Apparates blind und desinteressiert gegenüber. Nachzulesen u.a. in den Untersuchungen des grünlandbotanischen Instituts der Hess. Lehr- und Forschungsanstalt und deren kritikloser Übernahme im Landschaftsentwicklungsplan Naturpark Hess. Rhön, die mit den vegetationskundlichen Befunden von J. Stolzenburg konfrontiert, das Dilemma des konventionellen Naturschutzes offenkundig werden lassen.

zurück zur Übersicht