Die Vegetation als Indiz der Wirtschaftsgeschichte – oder Von Omas Wiese zum Quecken-Grasland – und zurück?
H. Lührs
(1994) DIN A 5 / 210 S. + Tabellenbändchen. (396g) (9,00 Euro)
1985, im 1. Notizbuch der Kasseler Schule, ist das 3. Notizbuch folgendermaßen angekündigt: ‚Von Opas Wiese zum Queckengrünland und zurück – Die Entwicklung des Wirtschaftsgrünlandes und die Möglichkeiten der qualitativen Regeneration‘. Was damals so kurz vor der Fertigstellung und weitgehend geklärt schien, erwies sich bei näherem Hinsehen und in der Durchführung doch anspruchsvoller und langwieriger. Es waren nicht nur noch die eine oder andere Arbeit erforderlich, um das moderne Gras-Acker-Land abzubilden. Wichtiger war es, über das Pänomen hinaus, für den Vorgang und den Kontext das Verständnis und die Begriffe zu formulieren, damit „am Beispiel des Wirtschaftsgrünlandes und der GrasAckerBrachen die Vegetation als Indiz der Wirtschaftsgeschichte“ erzählt werden kann.
In seiner Dissertation stellt H. Lührs zunächst eine stark synthetisierte Übersicht der Naturausstattung der Gras-Futterflächen für Paarhufer-Wiederkäuer vom Nardo-Galion bis zum Agropyro-Rumicion mit einer ausführlichen Erörterung der Verbände und ihrer verbreiteten (wichtigen) Assoziationen in den Vordergrund. Dieser empirische Beweis des Gegenstandes, über den Aussagen gemacht werden sollen – so unerläßlich er ist, weil damit eine chronologische und chorologische ‚Gebietsmonographie‘ vorgestellt wird – dient der Nachzeichnung des Industrialisierungsvorgangs in der Futtererzeugung. Mit jeder Modernisierung wird das Wissen der Bauern zerstört (s. Berger J., Imfeld A., Mandel E., Benholdt-Thomsen V., Gronemeyer M., Groeneveld S. u.a.) und die Abhängigkeit erhöht. Die Klärung der Rolle der ‚Wissenschaften‘ bei der Durchsetzung der Industrialisierung führt zur Darlegung einer Wissenschafts- und Disziplingeschichte der Grünlandforschung, der Pflanzensoziologie und der Landschaftspflege, der die Aufmerksamkeit der Vegetationskunde und der Landschaftsplanung gegenübergestellt wird. Der wissens- und methoden-(wissenschafts)-theoretische Teil der Arbeit, der die Einsichten ermöglicht und begründet, hält eine exzellente Diskussion und Reflexion zur ‚Logik wissenschaftlicher Arbeit‘ in der Landschaftsplanung (i. e. S.) bereit.
Zur Warnung sei hinzugefügt, daß Naturschützer und Biotopisten sich den Erwerb dieser preiswerten Veröffentlichung sparen sollten, weil der Faktenpositivismus nur kritisiert vorkommt – wie denn auch wissenschaftsdesignte Technikmätzchen vollkommen fehlen. Für alle, die etwas übers Grünland – von der Hute bis zu wirtschaftsbedingten Flutrasen – verstehen wollen, sich auch auf literarische Funde, Kenntnisse, ‚politische‘ Einsichten und eine spannende Nachdenk-Literatur einlassen wollen, sei dieses Notizbuch nachdrücklich empfohlen.
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