Hausen statt Wohnen
Von der Hartnäckigkeit gesellschaftlicher Wertvorstellungen in wechselnden Leitbildern – Vorschlag für einen Blickwechsel
Käthe Protze
A5, 208 Seiten, 13,25 Euro
Neue Leitbilder bedeuten nicht automatisch neue Qualitäten. Diesem Phänomen geht die vorliegende Arbeit anhand städtebaulicher Leitbilder und daraus erfolgten Siedlungsentwürfen seit den 1920er Jahren nach. Die Begriffe „Hausen“ und „Wohnen“ werden genutzt, um unterschiedliche Beurteilungsstränge der Arbeit darzulegen.
„Hausen“ steht für ein Denken, dass an der Gebrauchsökonomie des Alltags orientiert ist. In den Vordergrund gerückt wird häusliches Wirtschaften als ökonomische Grundlage und ein Tätigsein der Menschen. Haus, Hof und Straße erhalten eine wichtige Rolle als Gebrauchsorte für viele verschiedene ökonomische und soziale Situationen.
Im Gegensatz dazu wird „Wohnen“ für die Idee von Freizeit als Gegenpart zur Erwerbsar-beit gesetzt. In diesem Zusammenhang gelten Wohnung und Siedlung als Orte der Erholung. Repräsentatives Grün soll dies unterstützen, zum Schutz werden Verkehr, Arbeit und Fremde fern gehalten.
Die Hartnäckigkeit, mit der „Wohnen“ immer wieder neu in Szene gesetzt wird, wird ersichtlich in der Beschreibung verschiedener städtebaulicher Leitbilder, die seit den 1920er Jahren formuliert und umgesetzt wurden. Egal ob modern, organisch, autogerecht, urban, nachhaltig oder frauengerecht – deutlich wird, dass mit dem „Wohnen“ zugleich monolithische und spezialisierte Siedlungsorganisationen beabsichtigt und gebaut werden. Nicht nur der privat verfügbare Raum ist eingeschränkt- der öffentliche Raum wird auf wenige Orte zentralisiert. Dementsprechend bieten diese Siedlungen bis heute nur wenige Verhaltensangebote und geringe Anpassungsfähigkeit.
Wo das „Hausen“ und damit das Tätigsein der Menschen Platz findet, zeigt der Vergleich mit Stadtteilen (zumeist der Gründerzeit und älter), die nach wie vor als städtisch und lebendig wahrgenommen werden. Anhand wesentlicher Prinzipien wird gezeigt, welche Formen der Erschließung, Parzellierung und Bebauung Voraussetzungen dafür bieten, dass viele verschiedene ökonomische und soziale Lebensweisen sich einrichten können und ein Nebeneinander von häuslichem und gewerblichem Wirtschaften möglich ist. Ihre Prinzipien werden in einen Vorschlag eingearbeitet, wie Gender Mainstreaming im Sinne eines Blickwechsels für die Planung nutzbar gemacht werden kann.
In einem theoretischen Anhang werden einzelne Themenschwerpunkte vertieft. Sowohl Aspekte der Professionsgeschichte als auch der Alltagsökonomie werden aus Geschlechter-Perspektive untersucht. In dem Zusammenhang wird auch die aktuelle Diskussion über Gender und Diversity als sinnvolle Ergänzung zur Freiraumplanung vorgestellt. Anhand einer Einfamilienhaussiedlung wird gezeigt, wie diese Theorien dazu beitragen, strukturelle Benachteiligungen zu erkennen.
Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung: Hausen statt Wohnen – Von der Hartnäckigkeit
gesellschaftlicher Wertvorstellungen in wechselnden Leitbildern – Vorschlag für
einen Blickwechsel 6
Housing instead of residing – about the persistence of social values in changing
guiding principles – a Suggestion for a change of sight 7
l Hausen statt Wohnen.
Von der Hartnäckigkeit gesellschaftlicher Wertvorstellungen in wechselnden
Leitbildern – Vorschlag für einen Blickwechsel 8
1 Anlass und erste Fragen 8
1.1 Inhaltlicher Überblick 9
1.2 Leitbilder und Vorbilder 15
1.3 Zur Methode 17
1.4 Thesen 18
2 Wohnen und Hausen – über die Bedingungen häuslichen Wirtschaftens 24
2.1 Hausen und Wohnen 25
2.2 Innenhaus und Außenhaus an der Straße – Produktionsmittel zum „Hausen“ 26
2.3 Vom „Hausen“ zum „Wohnen“ 28
2.4 Hausen oder Wohnen 30
3 Leitbilder, Stadtmodelle und Siedlungen der modernen Architektur und
Stadtplanung 31
3.1 Wesentliche Qualitäten städtischer Quartiere 31
3.2 Die 20er und 30er Jahre: Funktionstrennung und Stadt-Landschaft 35
3.3 Die 50er Jahre: Die „organische“ und „autogerechte“ Stadt 44
3.4 Die 1960er und 1970er Jahre: Demonstrativbauvorhaben
zu „Urbanität durch Dichte“ 60
3.5 Exkurs: „Verkehr in Städten“ 74
3.6 Die 1980er Jahre: „Neue Urbanität“ und Postmoderne 77
3.7 Die „nachhaltige Stadt“ – Das Modell der Zukunft 85
3.8 Resümee der Leitbilder, Stadtmodelle und Siedlungsbeispiele 93
4 Der Zement der Gleichheit 100
4.1 Zeilenbau?- Hat sie schon! 101
4.2 Die müßige Hausfrau -ein alter Traum 106
4.3 Der Zement der Gleichheit 113
5 Leben und Arbeiten im Quartier – Prinzipien alter nutzungsdurchmischter
Stadtteile 115
5.1 Viele Straßen im Quartier 115
5.2 Parzellierung und Grenzen 117
5.3 Drei Haustypen 118
5.4 Hufe und Block – Varianten der Erweiterungen 120
6 Prinzipien für ein „Hausen“ im Stadtteil 123
6.1 Ein Blickwechsel für „nutzungsgemischte“ Stadtteile 123
7 Hausen statt Wohnen – von der Hartnäckigkeit gesellschaftlicher
Wertvorstellungen bei wechselnden Leitbildern – und ein Vorschlag für eine
Doppelstrategie 127
7.1 Gewohnte Denktraditionen 127
7.2 Gender Mainstreaming in der Planung 129
7.3 Vorschlag für eine Doppelstrategie – Pragmatik und Perspektive 133
II Theoretischer Anhang 135
1 War Walter Gropius ein Feminist? Anmerkungen zu einer verleugneten Tradition
135
1.1 Herr Architekt und Stadtplaner -ein unterschätztes Geschlecht? 135
1.2 Die Folgen der „guten Absichten“ sind Enteignung und Ausbeutung 139
2 „Wer kann das bezahlen – wer hat so viel Geld? Zum Zusammenhang von
Wohnen und Wirtschaften 141
2.1 Die spektakuläre Verheißung 141
2.2 Die Bedeutung von Haus, Hof und Garten für die häuslichen Ökonomien 142
2.3 Vom Garten als Produktionsort zu den Wahlmöglichkeiten – ein Weg professionellen
Nachdenkens 144
3 Häuser für Wien – Über „Das bürgerliche Wohnhaus und das Wiener Zinshaus“
von Heinrich Ferstel und Rudolf von Eitelberger (1860) 146
3.1 Die Wohnungsspekulation als Ursache allen Übels 147
3.2 Ohne Hauswirtschaft klappt die Übertragung des Vorbildes nicht 152
4 Private und öffentliche Freiräume im Alltag von Frauen – Zum Zusammenhang
von Frauen, Wohnen und Freiräumen 153
4.1 „Wohnen“ bedeutet nicht „Nichtstun“ 153
4.2 Anspruch an Arbeitsorte -“ Innenhaus und Außenhaus“ 157
4.3 Vorbilder im Bestand 159
4.4 Der Zeilenbau – „Nichtstun“ wird zum Wohnprogramm 165
4.5 Frauen und Wohnen – Eine Debatte um die Verfügung über private und öffentliche
Freiräume 168
5 Gender und Diversity in der Siedlungsplanung 170
5.1 Einleitung 170
5.2 Gender als Analysekategorie 171
5.3 Das Modell „hegemonialer Männlichkeit“ 173
5.4 Gender und Diversity in der Siedlungsplanung 177
5.5 Einfamilienhaussiedlungen als Ausdruck von Dominanzkultur 179
5.6 Schwerpunktsetzungen gegen die Dominanzkultur 189
III Nachweise 192
1 Literatur 192
2 Abbildungen 205
3 Veröffentlichte Kapitel 206