Notizbuch 65

Gartenflora. Bestimmungsschlüssel für einkeimblättrige Gartenpflanzen
Klauck, E.J.
(2004) DIN A5, 242 S. (360g) (11,50 Euro)

Die Zahl erläuternder und beschreibender Staudenbücher ist mittlerweile auf eine beträchtliche, vielleicht unübersehbare Zahl angewachsen. Gartenarchitekten, Planer, Gärtner und Blumenliebhaber nutzen diese Literatur, um ein Nachschlage­werk zur Unterstützung der Arbeit zu haben. Doch sind diese beschreibenden Stau­denbücher sehr oft nur im Vorfeld, also bei der Auswahl von Pflanzen für bestimmte Zwecke nutzbar. Eine Bestimmungsliteratur, wie sie in der Botanik für wildwachsen­de Pflanzen existiert, fehlt weitestgehend bei der Verwendung von Gartenge­wächsen. Gerade eine solche Bestimmungsliteratur, sozusagen eine „Exkursions­flora“ für Gartenpflanzen ist wichtig und notwendig, um also real vorhandenen Arten benennen zu können. Das Bestimmen von Gartenarten, die wir in Parks oder Garten vorfinden, ist mit der vorhandenen Literatur schwer möglich, weil sie oft alphabetisch geordnet ist, nicht aber systematisch. Oft bleibt beim Bestimmen nur „blättern“ übrig. Um Kulturangaben nachlesen zu können, ist es wichtig, den botanischen Namen der Pflanze zu kennen. Unser Bestimmungsschlüssel will also nicht die beschreibenden Pflanzenbücher ersetzen, sondern die Lücke schließen, an der lebenden Pflanze anhand botanischer Merkmale deren Namen finden zu können. Wir gehen also von den in Gärten bereits gepflanzten Blumen und Gräsern aus mit der Fragestellung nach den botanischen Namen, während lexikalische Literatur von der Fragestellung geleitet wird: Was kann wo gepflanzt werden? (aus: Ein Wort vorher in Gartenflora, E.-J. Klauck 2004).

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Notizbuch 64

Von gemeinen Hufen
B. Gehlken & K. H. Hülbusch (Red)
(2004) DIN A5, 196S. (304g) (9,25 Euro)

Die Siedlungstypisierung ist mangels anderer Merkmale formalistisch nach der Graphik des Straßenmusters durchgeführt worden. Im Vergleich zu den völlig unverständlichen Stadtplänen der Administration ist das ein Schritt zur verstehenden Abbildung, die neben der äußeren Form auch die Ausstattung für den Gebrauch skizziert. Wenn der Siedlungsgrundriß über die Art der Bebauung – Gebäude oder Häuser -, die Straßenlänge und Straßenfläche, die Einwohnerdichte und die Haus- oder Türdichte je Flächeneinheit bzw. Einwohner weiter präzisiert wird, erhält man eine solide Einsicht über die ‚Natur der Stadt’, die menschlich hergestellte Geologie und Morphologie der Siedlung. Diese Siedlungskunde ist ebenso wie die Haus- oder Gebäudekunde ein sträflich vernachlässigtes Feld in der beruflichen Kenntnis von Architekten, Städtebauern und Grüngestaltern, weil sie damit ihre Unbedarftheit beim Entwurf aller möglichen Abstrusitäten zu entschuldigen wissen. Da mit Unkenntnis jeder Fehler vorweg schon entschuldigt ist, kann der Fehler nur vervollkommnet werden. Eine kluge Siedlungskunde muß darauf aus sein, daß die äußeren Merkmale so präzise beschrieben und abgebildet werden, daß die synthetischen Merkmale (die Eigenschaften und Folgen) unmißverständlich daraus ablesbar sind. D.h. auch, daß die Merkmale solide differenziert und abgebildet werden. Und zwar so, daß die synthetischen Merkmale nicht hinzugefügt werden müssen, sondern aus der Gegenstandsabbildung abgelesen werden können, wissentlich. Die Vorbereitung der monolithischen Flächensiedlung von Bauhaus-Gnaden ist genetisch schon im Gründerzeitblock vorbereitet. Dagegen steht die an der Straße orientierte Hufenstadt, die den kommunalen und privaten Anteil an de Siedlung solide trennt und gleichzeitig eng nebeneinander legt. Was jedem autistischen Städtebauer Angst macht, weil Nähe bedrohlich ist.

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Notizbuch 63

Von der Klassenfahrt zum Klassenbuch – Lythro-Filipenduletea an Hamme, Wümme und Oste
F. Bellin und K. H. Hülbusch (Red.)
(2003) DIN A5, 152 S. (234g) (9,25 Euro)

Die orthodox bestrittene Klasse der Lythro-Filipenduletea Klauck 1993 ist immer eine Reise wert. Und dies natürlich an einen Ort, an dem diese Gesellschaften gemein zu finden sind. Im August 2002 haben wir uns mit zwölf Forschern auf die Klassenfahrt begeben und Vegetationsaufnahmen gemacht, die angesichts der historischen Vorgaben niemand alleine hätte machen können, weil dazu der Mut nie ausgereicht hätte. Herausgekommen sind knapp zweihundert Aufnahmen, die im Vergleich zu den historischen Vegetationsaufnahmen nicht mehr von Molinietalia-Arten begleitet werden. Zudem ist bis auf signifikante Vorkommen, die Preisings Überlegung von naturbürtig stabilen Filipenduletea – Gesellschaften bestätigen, die Verbreitung tendenziell flächig und versaumt. Der wirtschaftsbedingte Saum an der Grenze von Gewässern und Grünland (Calthion , Molinion), durch die Mahd stabilisiert tritt jetzt vornehmlich in einer dynamischen Phase mit Begleitern aus den Artemisietea oder Phragmitetea auf. Trotzdem, oder gerade deshalb ist das Fundament der Filipenduletea auch in der Verbreitung der Assoziationen und Subassoziationen vergleichbar geblieben. Jedenfalls ist es nicht die Gesellschaft, die den Naturschützern so heilig ist. Hier gilt wieder mal die bewährte Metapher, daß jede Gesellschaft die Landschaft hat, die sie verdient, aber nicht versteht, weil die Heiligen der Vergangenheit nachtrauern, zu deren Abschaffung sie selbst beigetragen haben.
Der piefigen Kritik an Klaucks systematischer Ordnung der Klasse haben wir mit einer soliden Erweiterung aus guten Gründen eins draufgesetzt. Neben der pflanzensoziologischen Beweisführung am Gegenstand gilt uns hier vornehmlich die Frage des Verstehens, von der R. Tüxen (1972) forderte, daß die Gegenstandsabbildung keinen Sinn mache, wenn damit nicht auch landschaftskundliche Einsichten erworben würden: Was ist da, ist der Gegenstandsabbildung gewidmet; was bedeutet das, gilt dem Verständnis oder der Interpretation. Niemand, der die Landschaft betrachtet, macht die darin enthaltene Arbeit. Könner sind Leute, die Arbeit tun, Kenner sind Leute, die die Arbeit verstehen, von der ‚hohen Warte‘ des Elfenbeinturms (Panofsky, E. ). Vom Elfenbeinturm aus darf man allerdings die Scheinheiligkeit des Historiographen kritisieren, der liebt, was es nicht mehr gibt. Wenn es gute Gründe gibt, die Welt zu ändern, muß zuerst verstanden werden, was geschieht und warum.
„Die Wahrheit liegt nicht tiefer,
sondern ganz woanders“ (J. Berger)
Oder ganz einfach: die Vegetation ist nicht Ursache, sondern Ausdruck der Wirtschaftsweise. Dafür ist die ‚Klassenfahrt‘ eine genüßliche Darlegung, die im Übrigen dem Markt der verkauften Meinungen nicht nacheifert.

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Notizbuch 62

Anthropogene Vegetation
E. J. Klauck (Red.)
(2004) DIN A5, 268 S. (398g) (11,50 Euro)

Der Titel „Anthropogene Vegetation“ Ist R. TÜXEN (1966) entlehnt und gleichzeitig gewidmet. Wir sehen das Thema, den Gegenstand, ‚weit‘ und ‚eng‘. ‚Weit‘, weil sowohl die angebaute wie die spontane, absichtliche oder unabsicht­liche Vegetation Gegenstand der Betrachtung ist.
In den ersten Beiträgen stehen floristische Themen mit Überlegungen zur Nutz­ung und zur Ökonomie im Vordergrund. Sabine KINN-DIPPEL ‚weckt‘ den ‚Geist des Flachses‘, Bernd SAUERWEIN entdeckt Gagea pratensis und Carex pendula in Kassel und Karl Heinrich HÜLBUSCH beschreibt die klimatische Ökonomie der Gemüsekulturen. Es folgen Beitrage mit pflanzensoziologisch-vegetationskundlichem Inhalt, die vom Wegrand stammen und klassische Saumgesellschaften behandeln, von Flächengesellschaften berichten, die (noch) genutzt werden, aber auch von Wirtschaftsbrachen und deren Indizien bis zu Baumbeständen. Siegfried KRAUSS und Bernd SCHÜRMEYER leiten über zu Beiträgen vorwiegend landschaftsplanerischer Themen. Der Text von KRAUSS & SCHÜRMEYER wurde bereits 1987 publiziert und hat nichts an Aktualität eingebüßt. Wir geben hier zwei Leserbriefe im Faksimile wieder, so­zusagen die ‚Stimme aus dem Lande‘. Sie sind der Nachweis darüber, daß KollegInnen sich über unsere Arbeiten freuen. Der Beitrag von KRAUSS & SCHÜRMEYER rief aber auch eigenartige Kommentierungen hervor, die bestens die Nähe und Distanz in der Debatte zeigen, das Verständnis von Ve­getation und Landschaftsplanung – so sie denn überhaupt noch geführt wird. Es ist doch eigenartig, daß zustimmende Leserbriefe nicht in der ‚einschlägigen‘ Presse abgedruckt werden, ablehnende dagegen offenbar willkommen sind (vgl. z.B. HACKENBERG (1987)). Wenn beispielsweise DIERSCHKE & BRIEMLE (2000) in ihrem Buch „Kulturgrasland“, das Bernd SAUERWEIN und Karl Heinrich HÜLBUSCH in diesem Notizbuch kommentieren, die Arbeitsergeb­nisse aus der Kasseler Schule unterschlagen (z.B. HÜLBUSCH 1969,1986, 1987, MEERMEIER 1993, KLAUCK 1993, LÜHRS 1994), macht das die Sprachlosigkeit der Autoren allzu deutlich. Auch HARD (u.a. 1981; 1998) wird unterschlagen. Karl Heinrich HÜLBUSCH hat u.a. eine Entgegnung zur ab­gewiesenen Publikation in Tuexenia zur Lythro-Filipenduletea Kl. 1993 verfaßt. Die Ablehnung von der Tuexenia-Redaktion ist interessant, weil einige Autoren (z.B. PREISING et al. 1997, MÜLLER 2003, WEBER 2003) die neue Klasse der hygrophilen Saumgesellschaften, Streuewiesen und Versaumungen längst zitieren. PREISING et al. (1997) haben sie validiert. Den Abschluß macht der Beitrag von SAUERWEIN über vegetationskundige Begriffe und deren Begreifen, womit dargetan wird, daß ohne Bezug zum Ge­brauch, zur Alltäglichkeit, zur Ökonomie, das Verständnis der Vegetation ab­strakt und spekulativ, damit aber auch nicht mehr sinnvoll verfügbar wird. (Vor-weg Worte zum Notizbuch 62 von E.-J. Klauck und K.H. Hülbusch 2003).

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Notizbuch 61

Wer lehrt, lernt. Wer nichts lernt, kann nicht lehren.
K. H. Hülbusch, H. Troll et al. (Red.)
(2003) DIN A5, 254 S. (374g) (11,50 Euro)

Jeder LeserIn lernt beim Lehren ständig über die Sache und das Lehren hinzu. Wenn die LehrerIn dieser Tatsache Ausdruck verleiht, die SchülerInnen sicher sein können, ist der Auftrag, daß sie Wert- und Ernstgenommen sind, ist der Auftrag, das Lernen zu ermöglichen und die Rolle des Lehrers zu delegieren, erfüllt. Prüfungen, von denen schon H. v. Kleist sagt, dass sie ungehörig und unanständig seien, weil sie der Macht des Amts dienen und davon ablenken, dass die LehrerIn Autorität nur über die Lehre erhält und nicht über den Machtmissbrauch der Prüfungen. So wie die Einsichten über die Sache, der Zugewinn an realer Sachkenntnis nur behalten bleibt, wenn der Sachstand aufbereitet und dokumentiert, prüfbar dargelegt wird, ist erforderlich auch die Darlegung der Lehren über da Lehren. Was gemeinhin die Pädagogik genannt und klärt wie gelehrt und gelernt wird. K. Jaspers spricht von der ‚Strenge an der Sache’, damit die Lehre sokratisch gegeben werden kann.
In diesem Notizbuch sind vor – bereitende und nach – tragende Überlegungen zu lehrenden Lernen und lernenden Lehren aus etwa 15 Jahren gemeinsamer Arbeit in Betreuungen (Studier-, Projekt- Diplomarbeiten) und vor allem aus Kompaktseminaren zusammengetragen. Die Essays sind immer an den Widersprüchen in der Lernsituation – ‚das Erzählen und die guten Absichten’ (St. Nadolny) – und dem Dilemma des Lehrens, das zu Recht immer irritiert ist, weil LehrerInnen wie Eltern, LehrmeisterInnen wie SchülerInnen nie abzuschätzen wissen, ob das Leben zu leben ist, mit dem, was gelehrt und gelernt ist. Die Angst der LehrerIn lässt Sanktionen hilfreich erscheinen. Die gegenwärtige Forderung nach der vegetativ, also geklont vermehrten LehrerIn und SchülerIn ist verständlich, wenn diese Unsicherheit wunschgemäß effektiv aufgehoben werden soll im ‚Standard der Zurichtung’.
‚Stellt euch vor, es geht.
Und keiner kriegts hin.‘
Die Lehre geht; das ist da Votum der Beiträge, in denen die Misserfolge nicht verschwiegen werden, damit daraus Lehren zu ziehen sind. Die ‚Lehren’ sind kein Rezept. Wenn neben vielen Gelegenheiten im Alltag an der Hochschule vor allem die Lehren an und aus den Kompaktseminaren ‚Ein Stück Landschaft’ und den PlanerInnen-Seminaren ‚Ein Stück Stadt’ dominant vertreten sind, hat das gute Gründe. Die Lerngesellschaft auf Zeit, auf der ‚Insel der Gleichseligen’, erinnert ein wenig an den Traum der Künstlerkolonien. Das Glück besteht darin, dass wir wieder nach Hause kommen dürfen, weil die Ausnahme nicht dauernd gelebt aber behalten werden darf. Und jede/r damit machen darf was daraus plausibel geblieben ist.

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Notizbuch 60

Alle Pflanzen färben irgendwie Gelb
K. H. Hülbusch & G. Moes (Red.)
(2002) 88 S. und 2 Paletten (Farbtafeln DIN A2). (150g) (11,50 Euro)

Wer einen Ort verstehen will, muß die Nützlichkeit verstehen lernen. Die Botaniker des 16. und 17. Jahrhunderts (Gesner, Fuchs u.a.), C. v. Linne´ in der Lapplandreise, A. v. Humboldt in seinen Reiseberichten – nicht zu vergessen Försters Reiseberichte – haben dem Gebrauch die Aufmerksamkeit des Verstehens gewidmet. Sie waren natürlich immer auch in kolonialem Auftrag unterwegs. Wenn wir der Nützlichkeit nachgehen, sind wir eher auf der Fährte vergessener Künste, der immer auch ein Hang zum Volkstänzerei, zur Folklore angedichtet wird. Die LandschaftsplanerIn steht immer in dem Dilemma zwischen Verstehen und Handeln. Landschaftspfleger, i.w.S. Naturschützer verstehen nichts und haben keine Bange administrativ zu Handeln, also einzugreifen, unverständig aber machtvoll legalisiert. Ein Seminar zum Färben mit Pflanzenfarben hat tatsächlich von Haus aus eine Neugier für den eigenen Gebrauch. Diese Neugier ist nebenher das Sprungbrett für die Geschichte und Ökonomie des Färbens – was heißt den schon betucht – und der getragenen Farben. Sammelwirtschaft für die häusliche Winterarbeit ist dabei von der hofierten manufakturellen Färberei, die eingekauft werden musste, zu unterscheiden. Spannend ist, dass gegenüber der Ratgeberliteratur und der professionellen chemisch auf Inhaltsstoffe kaprizierten Literatur, die immer nur die reinen, an technischen Schemata orientierten Färbungen hofiert die Metallsack nuancierte Färbung (Nuancierung) mehr zeigt, als die Primärfarbe erkennen lässt: also – die Paletten. Die primäre Färbung wird völlig unabhängig von der Farbe erst geordnet, wenn die Nuancierung ist Metallsäcken hervorkehrt, was vorher unsichtbar enthalten war. Damit sind die Pflanzenfarben nicht nur besser nach dem ‚Ausdruck’ zu erkennen. Damit wird zugleich die Möglichkeit der Malerei auf Geweben eröffnet, die u. E. in der klassischen, gemalten Batikfärberei selbstverständlich war.

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Notizbuch 59

Über kurz oder lang – Die Handlung macht den Ort. Die Herstellung der Orte kann nur von der Handlung lernen
D. Kuhle & N. Witzel
(2002) DIN A5, 188 Seiten. (294g) (9,25 Euro)

Promenieren ist so alltäglich handelnd wie leben. Wenn’s dazu einen Ort, Promenade genannt, braucht, kann niemand mehr promenieren, so dass dieser Auftritt paradieren zu nennen wäre. Lawrence Wylie (Dorf in der Vaucluse) hat in seiner immer noch unübertroffenen Studie, die soziologisch ist – ohne voyeuristisch zu sein, die Promenade im Sinne einer Handlung beschreiben. H. de Balsac hat ‚in der Theorie des Gehens’ (ca. 1850) sehr sorgfältig den Auftritt, die Parade und die Promenade unterschieden und literarisch mit der Art und Weise der Schreibe vergleichen. Gehen und Schreiben sind in der Promenade zuhause; nicht im Auftritt oder Parade, die eine Bühne benötigen aber kein Zuhause haben. Die ‚symbolischen Formen’ (Bourdieu, ….) sind deshalb äußere Instrumente der Einschüchterung oder Vereinnahmung, die Einübung und Unterwerfung voraussetzen. Die Promenade ist eine allgegenwärtige Handlung, die nur verhindert worden kann, wenn die Promenade gebaut und deklassiert, ausgeschildert wird, also nicht allgegenwärtig möglich ist.
Beim Friedhof braucht die ‚Promenade’ nicht erfunden werden (H. Troll 1996), weil die praktischen und sparsamen Regeln des Grundrisses das eingeschrieben haben; so, dass es niemand verstehen, nur akzeptieren muß. Die Schlaumeier theatralischer Urbanität erschrecken nicht einmal davor zurück, geheiligte Rituale theatralisch zu verhunzen. Wenn mit Gestaltung für den äußeren Schein irgendeine Änderung deklassiert wird, dann ist die wirkungsvolle Absicht den Propagandisten nur vage bekannt. Eine Folge davon ist, dass die Verursacher ständig an den Mängeln herumlaborieren und sanieren können. Was K. Marx für die Kapitalisten beschrieb, gilt ohne Einschränkung für alle Modernisierer. Es geht nicht darum, Änderungen grundsätzlich zu widersprechen. Wer aber etwas so ändern will, dass es Bestand haben könnte, müsste erst mal verstanden haben, was es gibt. Nein, nicht äußerlich und geschmäcklerisch sondern vom Geist und Gedanken kommunalen und individuellen Handelns. Die so genannten ‚ Lösungen’ bewirken nur Katastrophen, bis am Ende niemand mehr weiß, was einmal selbstverständlicher Wissensbestand war. Der muß dann, wie in den Beiträgen dieses Notizbuches, vom Schutt modernistischer Proklamationen freigeschaufelt werden. Die Vermutung, dass der Müll an Lösungen mit der Absicht hergestellt wird, die Grundrisse der Erfahrung und des Wissens zu verschütten, damit, wie J. Berger erzählt, der Bestand nicht nur vergessen sondern unauffindbar wird. Wer etwas über Freiraumplanung verstehen will, muß zuerst den postmodernen Abfall beiseite schaufeln. Den Arbeiten von N. Witzel – Promenaden, Wege und deren gesellige Pausen im Alltag – und D. Kuhle – Friedhofsmoden – Vorkommen und Folgen modischer Gestaltung – sind die Nachdrucke zweier Beiträge von R. Hochhuth zur ‚Eschweger Friedhofsordnung’ zum älteren Nachgedenken beigefügt. Von K. H. Hülbusch gibt es zwei Beiträge für den Unterschied zwischen Straße (Promenade) und die Straße als Grünzug. Alte Texte haben neben der Altertümlichkeit auch schöne Merkposten zur Hand: W. v. Staden (1912): ‚ländliche Friedhöfe’. Den Bürgerschreck der Graffitis, der Zeichen geheimer Anwesenheit, gibt M. Engelmoor zu bedenken, auf. Das ärgerliche besteht in der subversiven Vorgehensweise, die der politischen, administrativen und entwerfenden Willkür nur folgt wo die Handlung so tut, aber ob sie widerspräche. Das ist eben nur eine Machtfrage nach den Strategien militärischer Operationen getrimmt wird. Also: ich mache mir meinen Freiraum, ohne Deinen zu stehlen.

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Notizbuch 58

Licht und Schatten – Herstellungsplanung
F. Bellin / K.H. Hülbusch (Red.)
(2003) DIN A5, 258 Seiten. (392g) (13,25 Euro)

Manche Überlegungen bedürfen, wenn sie schon fertig scheinen, noch der Herstellung. Der Hauptanteil des Notizbuches besteht aus den Erträgen des PlanerInnenseminar vom März 2001 in Wollingst – ‚Planen unter unmöglichen Vorgaben’ – sozusagen eine Karikatur zum alten Lamento der Grüngestalter, dass sie immer zu spät gefragt werden. Hinter vorgehaltener Hand: früh gefragt, hatten sie nichts zu sagen gewusst. Der Auftrag im Seminar – jede/r bringt einen Fall mit, jeglicher Umbau oder Abriß ist ausgeschlossen’ – und mach einen unter Umständen klugen Plan, keinen Entwurf. Denn i.d.R. ist Bauentwurf schon genug Karikatur gegen den praktischen Gebrauch. Es ist also nicht nötig noch blöder zu sein. Freiraum und Herstellungsplanung konkurriert nicht mit dem Bauentwurf und darf im Hinblick auf die erforderlichen Mittel ohne Not sparsam sein. Wir verraten nur, dass die ‚unmöglichen Vorgaben’, die ja so verwirrend und einzeln erfunden tun, aus zwei Typen mit ähnlichen Variationen bestehen.
‚Die Erträge des Herren K.’ (H. Troll) führen in die Ambivalenz der prognostischen Erinnerung ein. Eine Ausstellung mit Eröffnung (F. v. Behren) macht den Unterschied zwischen Herstellung und Objekt deutlich. Nach dem Hauptteil – ‚in unmöglichen Vorgaben’ – oder: ‚Man kann den Wind nicht ändern, aber die Segel richtig setzen’ – folgen noch ein Plan für den ‚Friedhof Arolsen’, ‚Zwei Lindenbäume’, ‚Nachtragende Herstellungspflege’, abgewiesene Leserbriefe und weitere Beiträge, die zum Tenor des Notizbuchs passen.

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Notizbuch 57

Die Kunst des Gärtnerns. Der Gartenbau in vier Abteilungen oder die Hausgemüsewirtschaft
F. Bellin, K. H. Hülbusch & al. (Red.)
(2001) DIN A5 / 220 Seiten. (330g) (11,50 Euro)

In der Ratgeberliteratur für den ‚Hausgarten’ wird angestrengte ‚Schönheit’ oder exklusive Ernte offeriert. In ‚Kraut und Rüben’, einer Werbezeitung für den Handel mit exklusiven Schaustücken wird unter dem Segel der Ökologie’ schöner Wohnen bunter gemacht. Und alle diese Schönheiten sind natürlich sinn-, nutz- und arbeitslos. Die Hausgemüsewirtschaft ist dagegen sinnig, nützlich und mit vergnüglicher Arbeit ausgestattet. Die Schönheit eines gut gediehenen Gemüsegartens ist ökonomische Natur und offeriert gleichzeitig die Kenntnis und Fertigkeit der GärtnerIn auf dem Feld und in der Küche. Mit 40 ForscherInnen haben wir uns zehn Tage lange auf eine Expedition durch die Gärten Großstelzendorfs, einer klassizistischen Siedlung in niederösterreichischen Weinviertel, begeben. Traufständig gereihte Wirtschaftshufen sind hier die Regel, so dass Unterschiede der Wirtschaft auf der Wirtschaftshufe nicht in Unterschieden des Bauens und der Verfügung begründet sein können, sondern wahlweise erfolgt. In der Wahl selber können wir nach den Gründen fragen, nicht nach den Absichten, sondern nach den Vorwänden. Mit den klassischen Mitteln der Abbildung nach den Merkmalen – hier natürlich die angebaute Vegetation – haben völlig unprätentiös eine Typisierung der ‚Gärten’ (i.w.S.) nachweisen können, die vom Kohlgarten bis zur Grünfläche reicht. Hier, können wir konstatieren, dass ganz im Gegensatz zur Reihe vom Haus über das Gebäude bis zur Geschosswohnung, die ja qua Vorfertigung ideologisch und ökonomisch verordnet wird, für alle Beteiligten die gleiche Wahl oder Wahllosigkeit besteht, die Ungleichheit also selbst erwählt ist. Wenn wir vergessen, dass Unkenntnis mit Propaganda hergestellt wird und über 200 Jahre Grünraumgestaltung nicht spurlos bleiben. Jetzt kann man feststellen, dass die dumme Arbeit erst seit 20/30 Jahren ins Haus eingezogen ist. Die Gartentypen in Großstelzendorf könnten wir deshalb auch nach Generationen sortieren: die praktischen und kenntnisreichen Alten und die fleißigen, aber völlig unfähiger Jungen. Indem wäre noch eine Soziologie nach der vergnüglichen Sparsamkeit und der unvergnüglich anstrengenden Vergeudung, die nicht altersgebunden ist, darin enthalten. Da die Befragungsempirie so verlogen ist, haben wir einfach die 65 Gartenaufnahmen nach Merkmalen geordnet und sind dabei – am zufällig gewählten Ort – auf 6 Typen vom Kohlgarten bis zum ‚Bongert’ (Baumgarten) gekommen, die überall so zu finden und sogar zu völlig verschiedenen Bautypen abhängig von der Kenntnis und Entscheidung der Einwohner anzutreffen sind. Wieviel Wissen in einem Hausgemüsegarten und Können vonnöten ist und wie viel Verzeugung zur Haltung eines ‚Mühseligen Gartens’ – einer gepflegten Brache – gehört, ist nach den Tabellen der Gartenausstattung nachvollziehen. Für die LeserIn ist der Leseweg durchaus anstrengend, weil neben den ‚Garten’-Typen die materiellen Mittel der Kulturen von der Hackfrucht bis zu den Gehölzen vom Gemüse – über die Gewürz– und Heilkräuter, vom Frischgebrauch, der Konservierung, den Körnerernten und den Lagergemüsen verhandelt wird– also, alles was für die Hausgemüsegärtnerei zu bedenken ist.

„Ja, Zuckererbsen für Jedermann,
Sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen“ (Heine, H. 1884)

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Notizbuch 56

Die Boden-Rente ist sicher. Beiträge zur Organisation des Bau-, Siedlungs- und Freiraumgrundrisses (Teil 2)
K.H. Hülbusch (Red.)
(2000) DIN A5/332 Seiten. (488g) (15,25 Euro)

Der morgendliche Blick ins nächste Käseblatt – nicht zur Dauertherapie zu empfehlen – verschlägt immer wieder den Atem. W. D. Narr hat 1981 empfohlen, statt jedem Tag neue Wunden in die eben vernarbte zu schlagen, eine ‚systematische Aufforstung der Kenntnisse des Wissens, der Erfahrungen zu befördern’. Ja, es wäre wohl an der Zeit eine ‚Pisa-Studie’ über die Nieten der Nadelstreifen’ anzufertigen, deren Weissagungen von Tag zu Tag abstruser und großspuriger, tendenziell kolonialistischer werden.
Mit der Haus-, Gebäude-, Siedlungsgrundrisskunde wie mit der darin enthaltenen Kunde von der Organisation der Freiräume hat die Lehre des Entwerfens nichts zu tun. An diesem wohlfeilen Grunde gibt es auch keine Lehre über den professionellen Gegenstand des Studierens (und Lehrens), der in philanthropischen, ökonomischen und ein bisschen historisierendem Versatzstückrepertoire eingeübt wird. Es ist doch merkwürdig wie ungebildet die Entwerfer (Stadt-, Bau- Grün-) im Hinblick auf die Gegenstandsgeschichte ‚ihres Objektes’ sind – oder gerade, weil es für sie Objekte und keine Gebrauchsgegenstände sind. Die von Fehl herausgegebene Reihe bei Christiensen (Hamburg) ist ein kluger Vorschlag zur wissentlichen Anhäufung geschichtlicher Produkte, der Absichten und Folgen für die berufliche Reflexion, die völlig ignoriert wurde. Der Reihe mag alles angeheftet werden können; nicht aber Ignoranz, Opportunismus und Dummheit. Der Vorwurf, sie sei ev. Zu historistisch, ist völlig unsinnig, weil diese Kenntnis erforderlich ist, damit die unverstandenen Anleihen und Behauptungen erkannt werden.
Den Beiträgen der ‚Guten Baugründe – II’ ist der geschichtliche Vergleich immer an den gegenwärtigen Verheißungen gedient, also am Fall ausgebreitet und nicht systematisch dargelegt. Und, wenn die Darlegung einer Historie angesagt ist – M. Poguntke/Straße und Hausplätze in Friedrichstadt -, gilt diese nicht vornehmlich der Geschichte sondern dem Verständnis der Gegenwart und der Geschichte, die darin bisher übersehen wurde. Bis auf eine Darstellung aus den frühen Siebzigern zur Boden- und Differentialrententheorie (H. Bäuerle 1972/73), deren Kenntnis noch heute empfehlenswert sind, haben alle Beiträge den Anlaß in gegenwärtigen Versprechungen: ’Vom Wohnen in der Sackgasse, ‚Frauengerechtes Städte- und Wohnungsbau’, ‚Zur kritischen Rekonstruktion’, ‚Zum frauenspezifischen Siedlungsentwurf’ – bzw. in bewussten Widerspruch zu den Verheißungen bzw. Vereinnahmungen gefunden. Im Beitrag von B. Auerswald u. H. Lechenmayr wird ein Beispiel für die Lehren aus einem Auftrag vorgetragen: Worauf muß worin geachtet werden? Dieser praktische, d.h. theoretisch begründete Vorschlag, besteht aus der Berufung auf das historische Wissen, das an den anderen Beispielen und Vorträgen (u. a.) zwar verhandelt, nicht aber in Regeln umgemünzt wurde. Das ist nicht schwer zu verstehen, wenn bedacht wird, dass ausschließlich dieser Beitrag aus einem Planungsauftrag hervorgegangen ist.

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